8 Blasen an der linken Hand oder eine Ruderfahrt zum RC Rastatt




Ein Bericht zu unserer Ruderfahrt am 26.10.2002 von der Karlsruher Alemannia zum Goldkanal/RC Rastatt.



Am Samstag, den 26. Oktober 2002 planten die letzten, aus dem Umfeld des diesjährigen Karlsruher-Boliden-Achters verbliebenen, fünf standhaften Kameraden zu einer Ruderfahrt von Karlsruher Rheinhafen gen Rastatt aufzubrechen.
Das Wetter gab um 11 Uhr noch Grund zum Hoffen; kein Regen, kühle - aber keine unangenehmen Temperaturen. Der Wind bläst stark aus west-/südwest-licher Richtung. Die Wellen im Hafenbecken sind schaumbedeckt.
Wasserstand: ca. 50 - 70 cm unter der Hochwassermarke – Hafentor offen.
Alles keine Gründe zum Aufgeben oder Bleibenlassen.
Also ruderten wir (Valeri Safovich, Josef und Franz Gravenhorst, Rudi Lederer, Johannes Ball) um 11:15 Uhr mit einem C-Gig-Doppelfünfer in der Absicht los, spätestens gegen 13 Uhr in der Gaststätte des Rastatter Ruderclubs Mittag zu essen.
Wir waren zwar pünktlich um 11:30 Uhr an der Mole (Rheinkilometer 360), aber dann begannen die Widrigkeiten.
Beinhart mussten wir vor der Mole und am Kraftwerk vorbei gegen die elend starke Strömung anknüppeln, abgesehen von starken Verwirbelungen und Abdriftungen. Die Wellen waren zwar zurück gegangen, der Wind blies jetzt aber direkt von vorne und wurde verdammt stark und böig. Das Rheinufer war größtenteils überschwemmt und unserer Steuermann konnte sich nur noch an den Kilometersteinen orientieren.
Um 13 Uhr waren wir dann glücklich am Kilometer 352,5 vorbei und fragten uns wann die Abfahrt in den Goldkanal kommt.
Zwischen Zollhaus/Auer-Altwasser und Illinger-Altwasser zog uns die Strömung in den Altrheinarm Judengasse hinein. Brutal, aber da war nichts mehr zu machen. Passiert ist nichts und alles lief noch „im grünen Bereich“ ab. Gleichzeitig wurden wir von einem ordentlichen Regenschauer erwischt und die Überlegung des Abbrechens war nicht aus der Welt gegriffen, zumal nicht alle Kameraden mit den besten Regenklamotten ausgerüstet waren. Aber "rudern ist ein Wassersport, egal wo das Wasser herkommt" und so ging es mit Volldampf und ohne Schonung wieder hinaus und weiter den Rhein hinauf.
Bei Kilometer 349.2 gönnten wir uns im Illinger-Altwasser eine erste kurze Trinkpause.
Die Knochenarbeit bis zu Kilometer 347,2 zur Ausfahrt in den Goldkanal wurde auch noch heruntergepinselt, wobei uns der zweite rechte Regenguss erwischte.
Auf dem Goldkanal gab es - abgesehen von außerordentlich hohem Wellengang, der uns zum unfreiwilligen Wasserfassen zwang - nur noch kleinere Orientierungsschwierigkeiten bis wir backbordseitig den Jachthafen vom Rastatter Ruderclub nach ca. 17,5 km und gegen 14:15 Uhr mit sattem Schlag erreichten.
Druck und Schlagzahl betreffend, konnte man den Eindruck haben, dass wir uns im Trainingslager oder auf der Flucht befanden, nicht aber auf einer Rheinfahrt. Anders wären wir aber auch nie angekommen.

Insgesamt hatten wir zwar 1,5 Stunden (100%) mehr gebraucht als veranschlagt, waren aber trotzdem froh endlich heil angekommen zu sein.
Dank der besonders tiefen Lage des Bootstegs wurden beim Auswassern jetzt auch noch die letzten trockenen Kleidungsstücke, wie Schuhe und Socken nass.
Dafür war die Umkleide trocken und warm, das Essen heiß, die Portionen riesig gross und der heiße Tee überwältigend. Lediglich Vegetarier mit gesundem Appetit haben in dieser Gaststätte schlechte Karten und müssen ums Überleben kämpfen.
Die beim Anlanden in Rastatt aufgekommene Frage "mit dem PKW abholen lassen und das Boot später mit dem Hänger holen" wurde zur Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Mit zunehmender körperlicher Wärme, zunehmendem Völlegefühl beim Essen, abnehmenden Schaumkronen auf dem Wasser, zunehmendem zeitlichen Abstand und mit dem wachsenden Gefühl möglicherweise etwas nicht abgeschlossen zu haben, wurde die Frage immer mehr in der Hintergrund gedrängt und schlussendlich ganz verdrängt.
Gegen 15:30 Uhr wurde die Völlerei abgebrochen, die verbliebenen letzten trockenen Kleidungsstücke gerecht aufgeteilt und auf ging's Richtung Heimat.
Wir starteten um ca. 15.45 Uhr und mussten mit ordentlich Rückenwind durch den stark aufgewühlten Goldkanal. Auf dem Rhein ging es in Rotsee-Rekord-Geschwindigkeit (12,5 km in ca. 30 Minuten) Richtung Karlsruhe, wobei uns ein entgegenkommendes vollbeladenes Frachtschiff mit seinen Wellen fast versenkt hätte. Wir haben eine schöne Ladung Wasser abbekommen.
Dreimal schneller und um ein paar Erfahrungen und Blasen an den Händen reicher waren wir um 16:45 Uhr wieder im Bootshaus der Alemannia zurück.

Das Wetter war immer noch schön, der Wind blies immer noch aus der gleichen Richtung und die Wellen schäumten immer noch. Die Dusche war heiß, der Christstollen schmeckte gut und der Kaffe war vorzüglich.

Ein gelungener Samstag - und keiner wollte nochmals den Rhein hinauf.

Am nächsten Tag wütete Sturm "Jeanette" und jeder erholte sich und pflegte seine Greiferlein.

Und wenn sie nicht gestorben sind und im nächsten Jahr alle Mühen und die Blasen an den Händen vergessen sind, dann ...... ja dann ...... rudern sie immer noch und immer wieder und wieder ...... und überlegen sich, wohin sie das nächste Mal eine schöne pickelharte Ruderfahrt unternehmen könnten.


Bis bald, nette Träume vom süßen Schmerz und besonders liebe Grüsse vom kleinen Kater.



PS: Dieser Bericht wurde mit spitzen Griffeln vom kleinen Kater eigenhändig und mit brutalst möglicher Schonungslosigkeit in die Tastatur des PCs gehämmert.


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