Rudern ohne Tageslicht ist in Deutschland eher die Ausnahme, in anderen Regionen der Welt jedoch üblich. Hintergründe und weitere Einblicke von unserem Mitglied Josef Gravenhorst:
Während in Deutschland ein Ruderverein ohne Bootssteg oder ohne Bootshaus kaum vorstellbar ist, findet man in anderen Ländern erstaunliche Unterschiede. In USA und Kanada sind Vereine oft komplett auf Mitgliederbeiträge und Spenden angewiesen, da sie ohne staatliche Zuschüsse auskommen müssen. Gerudert wird trotzdem, oft überraschend professionell organisiert. Ein angestellter Trainer teilt um 5.00 Uhr morgens die Ruderer in die Boote auf, Steuerleute warten in wetterfester Kleidung auf ihren Einsatz. Die Steuerleute selbstverständlich möglichst knapp an der Gewichtsgrenze für Steuerleute und perfekt in Rudertechnik und -kommandos ausgebildet, bekommen vor dem Ablegen die Instruktionen vom Trainer. Die komplette Mannschaft erhält ebenfalls die Ziele für die folgende Einheit genannt, anschließend werden die Boote zu Wasser gebracht. Jedes Boot mit mindestens zwei batteriebetriebenen Fahrrad-Lampen ausgerüstet legt in festgelegter Reihenfolge vom Steg ab. Kleine Lichtpunkte am Horizont verraten die Positionen der anderen Boote. Nach getaner Arbeit wird der feste Lichtpunkt am Ufer (Bootssteg) angesteuert. Kurz nach dem die Boote geputzt und alles wieder am vorgesehenen Lagerplatz liegt, lässt sich am Horizont erahnen wo in kürze die Sonne aufgeht.
Neben Palmen am Ufer sieht man nun mit etwas Glück auch ungewohnte Wassertiere, wie Pelikane oder auch Seehunde.
Am nächsten Tag steht für die komplette Mannschaft Ergofahren auf dem Programm, 5.30 Uhr am Morgen 4x 15min. Erstaunlicherweise herrscht trotz der frühen Uhrzeit bereits Schichtbetrieb, die erste Gruppe macht um 5.30 Uhr die ersten der 30 Ergos frei.
Die frühe Trainingszeit ist in Amerika sehr verbreitet und hat mehrere Gründe: Zum einen haben um diese Zeit praktisch alle Zeit, zum anderen ist das Wasser nachmittags oft durch Wind und Motorboote sehr wellig.
Das Vereinshaus ist gerade Abseits der Ostküste vielfach eine einfache Bretterhütte, ohne Umkleiden, Kraft- oder Ergoraum, keine Küche oder Sitzgelegenheiten. Teilweise gibt es sogar weder Bretterhütte noch einen Steg, die Boote liegen ungeschützt im öffentlich zugänglichen Bootslager. „Wet launching“ (Ablegen ohne Steg: Barfuß im Wasser stehend) im Empacher-Rennboot, für deutsche Rennruderer eine neue Erfahrung. Erstaunlicherweise findet man trotz der eher kargen/ärmlichen Infrastruktur vielfach sehr gutes Bootsmaterial, inkl. der europäischen Hersteller wie Filippi und Empacher. Bei der letzten Reise ist mir der Outdoor-Kraftraum ins Auge gefallen (siehe Bilder), hier mangelt es sicher nicht an frischer Luft, dennoch bin ich ganz froh, dass wir bei der Alemannia ein Dach über dem Kraftraum haben.
Allgemein lässt sich feststellen: Ruderer bilden weltweit eine kleine, fast familiäre Gemeinschaft, dementsprechend ist man als Gastruderer der das Anfängerstadium überwunden hat, auch in anderen Ländern in der Regel willkommen. Man kann jedem nur empfehlen bei der nächsten Dienstreise oder im nächsten Urlaub mal fremde Vereinsluft zu schnuppern. Soziale Kontakte in einem fremden Land die sonst oft erst nach vielen Monaten an einem Ort nur sehr mühsam aufgebaut werden können, entstehen über das Rudern schon innerhalb weniger Tage – eine tolle Sache.