Dass das Wetter auf dieser Fahrt für Spannung sorgen würde, wurde schon beim Aufladen in Karlsruhe deutlich. Strömender Regen empfing die Aufladenden und nach zwei nassen Stunden lagen endlich zwei 1x, ein 2-, ein 2x, ein 4x+, ein Gig 4+ und ein Gig 4x+/5x auf dem Hänger.
Am ANREISETAG regnete es nicht mehr, dafür puderte ein ernstzunehmender Schneefall die Landschaft und die Autobahn rund um Gießen weiß ein. Kurz nach der Busmannschaft mit Hänger (Svanja, Viola, Claudia, Gloria und WD) kommen auch Frank und Susanne mit Wolfgang an, den sie in Gießen eingesammelt haben, und fassen tatkräftig beim Abladen mit an.
Regen etwas anderer Art erleben unsere Nachzügler, Rita, Stefan und Thomas, am Folgetag. Auf die Autobahn fällt plötzlich eine braune, klebrige Flüssigkeit – Öl vom defekten LKW auf der Nachbarspur. Alle Versuche die neue Lackierung an WDs Auto zu entfernen, bringen nichts und verzögern nur Ankunft. WD nimmt es gelassen. Hauptsache sein Auto fühlt sich nicht durch die Waschstraßenbehandlung verwöhnt und verlangt in Zukunft regelmäßige Wiederholung.
Zurück zum ersten Tag, nach der Ankunft geht es zum Umziehen in die Hütten, um ENDLICH zu RUDERN, bis die Hände qualmen. Dazu sind wir ja schließlich da. Die Hütten bieten alles wichtige: 4 Betten, Heizung, Toilette, Waschbecken, Schränke, Tisch mit Sitzbänken. Die heiße Dusche (heiß begehrt auf Grund des nicht ganz so „heißen“ Wetters) wird im separaten, jedoch schnell zu erreichenden, gut ausgestatteten Duschhaus täglich genossen.
Bei der Einteilung zum ersten RUDERN, nimmt die Gruppendynamik bereits Fahrt auf.
Glory „ist raus“ und MUSS ihren Einer fahren. Tagtäglich wird munter neu eingeteilt, diverse Themen zu den Einheiten vorgegeben und spezielle Wünsche, soweit wie möglich, erfüllt. Mittels Unterbesetzungen der Boote darf sich Glory schnell wieder der Gruppe anschließen. Was für ein Gewinn für unsere Rudertechnik! Wegen der begrenzten Anzahl an Booten und der Anwesenheit von starkem Wind – keine Rennboote – , wird aus Flying Dutchman, einem Fünfer, kurzerhand ein Dreier!
Mit weniger als zwei Wochen bis zu dem Rennen in Frankfurt steht bei den Frauen der Riemenvierer im Mittelpunkt. Keineswegs lautlos läuft der Probelauf am letzten Tag ab. „Wir haben euch gehört, bevor wir euch gesehen haben“, so beschreibt die Zweierbesatzung ihre Begegnung mit den Riemenfrauen. Das ist dem deutlichen Anfeuern durch die Steuerfrau geschuldet. Als absoluter Geheimtipp gilt der Genuß des Soundtracks zum dabei gedrehten Videos in Slowmotion. Wir haben abends alle herzlich gelacht!
Auch die Männer wagen sich an die Riemen, teils zum allerersten Mal. Durch WDs Hinweise wird aus dem „Dilettantenvierer“ schnell ein „Entwicklungsvierer“.
Die Arbeit am technischen Fortschritt bleibt nicht auf Riemenboote begrenzt. Es wird auch fleißig geskullt. Im Einer und Zweier geht es um technische Feinheiten oder manches Mal sogar um die ersten Schläge überhaupt im Rennboot. Im Gigboot wird häufiger gebolzt, also an Kraft und Ausdauer gearbeitet. Wer sich da verschätzt hat, der nimmt zur Erholung eine Pauseneinheit auf dem Steuersitz. Jeder ist für den anderen da: helfend, antwortend, begleitend, anpackend,…
Vor dem Rudern werden nach Stefans Eintreffen immer öfter Aufwärmphasen eingebaut und teilweise sogar nachsportliches Dehnen eingeführt. Böse Zungen behaupten nach Durchsicht der Fotos, dass diese wichtigen Übungen mehr eine Interpretation von „WIR tanzen unseren Namen – Ausdruckstanz“ seien.
Das RUDERREVIER selber ist alles andere als langweilig. Hier eine Auswahl:
– Den Kormoranbaum: Der Baum auf dem die Kormorane leben und sich entleeren, ist (ätzend) weiß (6 km nach Osten).
– Die Liebesinsel: Pittoreske Insel (7,5km nach Osten)
– Die Fahrt nach Herzhausen: Letzte auf dem Wasser zu erreichende Zivilisation (Häuseransammlung mit zwei Brücken – 6km Ri. Westen)
– Die Kurven des Gewässers mit den unterschiedlichsten Windverhältnissen
Anglerboote: Divers verteilt und spontan unterwegs. Dazu nicht hörbar,
da mit Elektromotor versehen.
– Untiefen in Form ehemaliger Brückenpfeiler unter Wasser. Manch eine gelbe Untiefentonne ruht sich da lieber auf dem grünen Ufergras aus! Fotogene Gesteinformationen am Ufer in Form von gefaltetem Schiefer.
– Sehr schick nach einem der nicht so seltenen Regengüsse oder in der Abendsonne.
– Den Staudamm: Nach 15 km Fahrt gen Osten bietet sich der Steg neben der „Strompolizei“ wunderbar als Anlegestelle für eine kurze Sight-Seeing-Runde an. Die Zahl der Absperrungen und „Betreten verboten“-Schilder, die dazu direkt neben dem Polizeiboot umklettert bzw. ignoriert werden müssen, ist allerdings beträchtlich.
Kommen wir zum WETTER. Laaangweilig??? Nein, nicht im April!!! Schnell wechseln sich Schneegestöber, Regen, Graupel und tatsächlich auch SONNE ab! Richtig Überhitzen, bis die Hände qualmen, ist aber nicht angesagt. Es ist bitterkalt.
Vor allem der Wind ist sehr frisch. Mit starken Böen erzeugt er dazu ordentliche Wellen, zumindest aus Sicht der Ruderer. Wolfgang, unserer Segler, behauptet, dass das alles nur schwacher Wind sei und dass Spaß erst bei mehr richtig losginge… Wenn überhaupt schläft der Wind nach dem Abendessen ein und meldet sich pünktlich nach dem Frühstück zurück. „Rudern unterm Zuckerhut“? Am Edersee heißt das „Rudern unter den Zuckerhüten“, Dienstagmorgens zierte der frische Neuschnee die zahlreichen Hügel um den Edersee. Nicht nur auf dem Dach der Nachbarhütte lag Schnee, nein auch in und auf den Booten. Also flott die Eisplatten aus gefrorenem Regen- und Spritzwasser aus den Booten schmeißen und ab aufs Wasser, erst das Rudern macht richtig warm! Einer Bootsbesatzung reicht das nicht. Kreativität wärmt ebenso (oder lenkt wenigstens ab). So nennt sie sich: Game of Thrones – das Eisfrauenboot.
Die warmen Kleidungstücke im Gepäck – sie sind rar, da wir ja bereits von wärmeren Temperaturen in Karlsruhe verwöhnt wurden – werden fleißig getragen und getrocknet.
An einem Tag ist es uns vergönnt die Mittagspause in der Sonne (jedoch im Windschatten der Büsche) Fünfe gerade sein zu lassen und Wärme zu tanken! Ist das schön!!! Doch das Wetter bleibt unberechenbar und wir sind jedes Mal wieder aufs Neue überrascht, wie schnell es sich ändert… drei Varianten bei einer Ausfahrt sind dabei keine Seltenheit!
Am ersten Tag geht es abends hungrig zum ESSEN. Der große Speisesaal ist ganz ruhig und leer. Sind wir etwa alleine? Nicht ganz. Ein Enkel mit seinem Opa sind noch da und die Küchenfeen. Schon am folgenden Tag ist die Ruhe vorbei. Ein Kinderchor und eine Schulklasse reisen an. Angeregt von diesem Anblick führen wir ernsthafte Gespräche über die Kinderanzahl in heutigen Familien. Die Essenz ist, dass 3 das neue 2 ist. Doch eigentlich wollen wir über das Essen berichten. Morgens und abends sind eine begrenzte, aber ausreichende Anzahl an Käse und Wurst vorhanden. Am ersten Abend gibt es dazu noch warmes Reisgemüse, dass von den Stuttgarter Ruderern, die am Tag abgereist sind, übrig gelassen wurde. Haben die sich nicht genug trainiert, um alles aufzuessen? Uns jedenfalls freut es. Das Essen bleibt auch weiterhin sehr gut. Auf dem Frühstücksbüffet stehen Nutellakügelchen und die passenden weißen Frischkäsebällchen in den Waffeln zu mehreren Brotsorten sowie Müsli mit frischem Obst. Das Frühstück artet so zur ersten Dehnübung des Tages aus – für den Magen! Auch beim Mittagessen durfte sich jeder so viel Nachschlag nehmen wie gewünscht. Wir haben die leckeren Zweit- und Drittportionen und den Nachtisch natürlich sofort im Training in Muskelmasse umgesetzt. Anders würden wir ja nie auf die Idee kommen zuzunehmen :-). Eines Abends wird gegrillt, auch wenn bei dem Regen ohne komplizierte Debatte entschlossen wird, im Speisesaal zu bleiben. Selbst der Grill versteckt sich vor den Unbillen des Wetters in einer offenen Garage. Komplizierter ist da die Packung dicke Milch (leite gordo, portugiesisch) mit dem Namen Muh. Doch auch hier können alle Unklarheiten in einer Diskussion geklärt werden: Wo Muh draufsteht, wird dann wohl auch Muh drin sein.
Zur ABENDGESTALTUNG nehmen wir nach Inbetriebnahme des Trockenraums und Kauf eines Hopfen/Gerstensafts an der Rezeption unseren eigenen gemütlichen Aufenthaltsraum in Beschlag. Das Kaminzimmer ist für uns reserviert. Wolfgangs Gitarre begleitet die Abende. Stefan hält vor aufmerksam zuhörendem und mitdenkendem Publikum seinen Vortrag über die Grundlagen des Riemenruderns. Darauf folgt die Analyse der Filmaufnahmen des Frauenvierers, aus dem heimischen Karlsruher Hafen. Der starke Wind und Wellen im Video errinnern uns aber stark an die Bedingungen im Trainingslager. WD kramt aus seinem großen Repertoire an Übungen eine Balanceübung hervor, als Hürde vor dem ersten Bier. Wir müssen eine halbvolle Plastikflasche auf dem Kopf balancieren und dann, mit den Fersen auf dem Boden bleibend, eine Kniebeuge machen. Ab fünf geglückten Wiederholungen, ist das Biertrinken freigegeben. Wir werden bis zum nächsten Mal fleißig üben. Jeden Abend im Aufenthaltsraum? Nein, ein Glück nicht. An einem Abend ist es der Gemeinschaft vergönnt, ein Stegbier zu sich zu nehmen, während Rita im roten Teufel – roten Zora – alias ad roa gen Sonnenuntergang rudert. Bei Krakespiel zeigen sich die wahren Gesichter der Ruderer. Eine wichtige Erkenntnis ist: „Wer nicht rot kann, muss blau.“ An Sprüchen wird auch bei den Mahlzeiten nicht gespart und in scherzhaften Wortgefechten werden immer neue erfunden. So lernen wir „ Gib mir Geduld und das SOFORT!“ kennen und verbreiten munter Frohsinn.
Die Jugendherberge mag ja ruhig liegen – als wir zwei Autos gleichzeitig auf der anderen Talseite hören, heißt es: „Das ist ja eine richtige Autobahn!“. Aber tierisch ist einiges los. An jeder Tür werden wir darauf hingewiesen, sie nach Gebrauch zu schließen. Waschbären gehören anscheinend zur unerwünschten Stammkundschaft. Für Claudia blieben sie leider eine „Waschbärlegende“. Ein guter Grund erneut zum Trainingslager an den Edersee zu fahren, vielleicht zeigen sie sich ja beim nächstes Mal. Beim Rudern wird ein noch unvorsichtigeres, aber mindestens so zielstrebiges Tier beobachtet. Der Lemmingkäfer klettert unter den Schuh am Stemmbrett und bei jedem Beinschub wird es noch ein wenig enger. Auch die Telekomunikation ist fest in tierischer Hand eine Brieftaube, wie wir sie beim Essen auf der Terasse beobachten. Im Moment scheint sie uns das einzig verlässliche Kommunikationsmittel zu sein, schließlich gibt es nur sehr begrenzt WLAN oder Handyempfang. Auf dem See hat man noch die besten Chancen! Gefangen im internettechnischen Nirgendwo lässt sich zeitweise der Eindruck nicht abschütteln, dass man sich unter den düsteren Wolken, zwischen dem dunklen Kellerwald und der vom Wind aufgepeitschten (Wolfgang: Was für eine Übertreibung!) finsteren See in einem Verlies befindet.
Leider – unsere Beine sagen zum Glück – ist die Woche vorbei und wir müssen wieder Aufladen. Dazu erklimmen wir den Hänger, um die oberste Lage Boote zu laden und gewissenhaft zu sichern. Runter kommt man immer, aber wie? Spontan wird eine Teambuilding-Maßnahmen auf hohem Niveau eingeschoben. Kontrolliertes Stage diving vom Hänger ist angesagt.
Schlussendlich fahren zufriedene und ausgepowerte Ruderer zurück nach Karlsruhe und lassen beim Aufriggern und Säubern der Boote mit Pizza den Tag ausklingen. Was bleibt noch? Eine schöne Erinnerung an ein ereignis- und abwechslungsreiches Trainingslager in einem herausfordernden Ruderrevier mit klasse Unterbringung und tollen Menschen!!
WD, es hat uns allen Spaß gemacht und Dein mit allen Wassern gewaschenes Organisationstalent hat wieder reibungslos funktioniert. Das Fazit daraus ist: EAT- ROW – SLEEP – REPEAT gerne wieder am Edersee!
Wolfgang Gosda / Gloria Roller
Fotos von Viola Wilke:
Foto von Stefan Huster:
Fotos von Wolfgang Gosda:
Fotos von Gloria Roller: