Unsere Strasbourgfahrt (19.-20.08.2022) beginnt gemütlich. Im RE geht es am Freitagabend nach Strasbourg mit der Vorfreude, die anderen am Abend im altehrwürdigen Ruderverein Aviron Strasbourg 1881 zu treffen. Strasbourg – die ersten Assoziationen stellen sich ein – das Münster, die romantische historische Altstadt von Kanälen durchzogen, Sitz des Europaparlaments und des europäischen Menschengerichtshofs.
Vom geschäftigen Bahnhof geht es direkt zum Ruderverein, dieser liegt in einer ruhigen Straße direkt an einem Arm der Ill, vis-á-vis zu arte und – ein wenig versteckt – dem Europaparlament. Wir werden herzlich von zwei Ruderern begrüßt, der Hänger mit den Booten ist bereits da, ebenso die anderen, es geht also gleich los mit dem Anpacken und Aufriggern. Kurz darauf erreicht das erste Boot derjenigen, die sich die Fahrt von Karlsruhe nach Strasbourg zugetraut haben, den Anleger, bald darauf das zweite – man sieht ihnen die Strapazen an. Nachdem alles Gepäck versorgt und die Boote soweit klar für den nächsten Morgen sind, wird Pizza organisiert und es gibt ein spätes Mal in der großen Ruder-Bar.
Am nächsten Morgen beginnt die Tour gemächlich, bis alle Boote zu Wasser gelassen sind, kann man hinter dem Europaparlament schon einmal eine kleine Ehrenrunde drehen, dann geht es in loser Reihe auf den letzten Metern des Canal de la Marne au Rhin, parallel zum Quai Jacoutot entlang, die Église Orthodoxe Russe markiert den Punkt, wo wir abbiegen und vorbei an Hausbooten und Industrieanlagen durch das Bassin de Citadelle parallel zur Rue de Général Conrad, am Quai des Belges und Quai des Alpes in einer großen Schleife um die Stadt rudern. Wir passieren die moderne Médiathék de André Malraux und nähern uns unserer ersten Schleuse an der Route de l`Hôpital. Hier ist Zeit für ein erstes Päuschen, da wir uns mit anderen Booten anstellen müssen. Über und neben uns der normale Stadtverkehr, wir genießen die Sonne im Boot.
Durch das Bassin de la Porte de l`Hôpital steuern wir langsam auf unser Mittagsplätzchen am Wassersportverein Le Cercle de l’Aviron, romantisch auf einer Insel in der Ill gelegen, zu.
Wir nehmen uns die mitgenommenen Vesperboxen mit Appetit vor und genießen den schönen Ort.
Vor uns liegt der zweite Teil der Tagestour, nun geht es ins Herz von Strasbourg, für die Johannes in langem Schriftverkehr für uns Ruder-Sondergenehmigungen erwirkt hat: die Wasserwege sind sonst den Bateaux vorenthalten, mit denen die Sehenswürdigkeiten aus der Wasserperspektive erfahren werden können, und diese passen erfahrungsgemäß um Zentimeter in die Altstadtschleusen und unter den tiefliegenden Brücken hindurch. Wir sind gespannt!
Gestärkt geht es wieder in die Boote, nun neu gemischt, unter der Pont Louis Pasteur hindurch in Richtung der malerischen Altstadt direkt auf das beeindruckende Wehr aus dem 17. Jahrhundert, den Vauban-Staudamm, zu. Hier gilt es den richtigen Torbogen anzupeilen und die Strömung nicht zu unterschätzen – dann die Skulls lang und durchrauschen. Gleich danach liegen die zauberhaften Ponts Couverts de Strasbourg vor uns, wir fädeln uns links ein – die Steuerfrau muss Karte lesen und steuern – den Quai de la Petite France zur rechten rudern wir gemächlich durch La Petite France an pittoresken Ufern, Stadtpalais` und Fachwerkhäusern und staunenden Menschen vorbei, Ruderboote gibt es hier nicht alle Tage zu bewundern, und dann gleich so viele. Auch wir sind begeistert: Strasbourg aus dieser Perspektive und mit eigenem muskelbetriebenem Vehikel ist doch etwas sehr Besonderes.
Hinter der Pont du Fasan, die nach Sesam-Öffne-dich-Manier zur Seite schwenkend ein Batorama durchlässt, sammeln wir uns, die nächste Schleusung steht an, aber vor uns müssen ein paar Ausflugsschiffe durchgelassen werden. Schließlich ist es soweit: wir tasten uns langsam zusammen vor, nebeneinanderliegend passen wir alle in die Schleuse. Viele Augenpaare sind auf uns gerichtet, auch ein paar Ruderkamerad:innen, die sich nach den gestrigen Strapazen eine Ruderauszeit genommen haben, stehen oben auf der Schleuse und schauen dem wackeligen Schauspiel zu. Es ist aufregend und im wahrsten Sinne bewegend. Die Schleuse entlässt uns, weiter geht es durch das historische Stadtzentrum (UNESCO Welterbe) und durch viele Brücken, bei denen es heißt: Kopf einziehen und unten bleiben. So geht es munter weiter, hinter der Pont d`Auvergne verlassen wir die Ill und rudern in die idyllische Aar. Tiefhängende Bäume, so dass man das Ufer kaum erkennen kann, ziehen uns den Hut vom Kopf, immer wieder bleibt ein Skull im Bewuchs hängen, die Stadt ist wie verschluckt hinterm Blätterwald. Das zieht sich eine ganze Weile, niedrige Brücken zwingen uns immer wieder ins Boot, dann öffnet sich der Vorhang und wir sind an dem Punkt angelangt, in dem es heißt: „alles umtragen“, als Fingerzweig für den morgigen Tag heißt die Straße dort: Quai du Canal de la Marne au Rhin. Alle aus den Booten, Skulls, Proviant und Boote müssen über das Wehr getragen werden und – vorbei an herrlich vollen Brombeerbüschen – wieder zu Wasser gelassen und bestiegen werden. Nun geht es gegen die Strömung der Ill noch ein kleines Stück weiter zum Kanuclub Eaux Vives, wo unsere Boote über Nacht sicher liegen können.
Mit dem Gepäck und im Gänsemarsch laufen wir zurück in den Ruderclub, wir genießen das Frisch-Machen nach einem Tag im Boot und der Hunger meldet sich auch. Nachdem sich alle herausgeputzt haben, gehen wir in die Stadt, passieren noch einmal die nun schon in der Abenddämmerung liegenden Kanäle, die wir heute durchrudert sind und kehren im Au Brasseur ein, ein summendes, voll besetztes Restaurant über Stufen hinab in den Keller, wo ein großer Tisch reserviert ist. Die elsässischen Spezialitäten auf der Menükarte lassen keine Wünsche offen, es wird reichlich gespeist und getrunken, was für ein schöner Tag!
An den Nebentischen wird gelacht und zugeprostet, ein bisschen müde schauen wir irgendwann dem Spektakel zu und freuen uns über den kleinen Spaziergang zurück zum Ruderclub, wo unser Nachtlager schon auf uns wartet.
Am nächsten Morgen gibt es französisches Frühstück mit leckeren Croissants und Baguette, alles Gepäck wird in das schon vor der Tür wartende Auto nach Karlsruhe verstaut, die Küche aufgeräumt, die letzten Vorkehrungen für die Heimfahrt nach Karlsruhe vorgenommen. Ein herzliches Merci beaucoup und Salut an die Ruderleute vom Aviron 1881, die uns in ihrem schönen Ruderverein aufgenommen haben, und selbst auch schon dabei sind, das sonntägliche Training vorzubereiten.
Zunächst müssen wir zu unseren Booten, die Proviantkisten sind wieder aufgefüllt, in Grüppchen geht es zum Kanuverein. Die Boote sind neu zusammengewürfelt, bei uns im Boot zwei, die auch auf der Hinfahrt schon dabei waren. Die Ill trägt uns mit ihrer Strömung vorwärts, trotzdem gilt es zu rudern und aufzupassen, um nicht in die Böschung zu geraten. Es geht hinaus aus Strasbourg, die Gegend wird ländlich, ab und an ein paar Häuser, kaum eine Menschenseele am zugewachsenen Ufer. Unterwegs ein paar Anekdötchen über die beschwerliche Hinfahrt, hier wurde Pause gemacht, dort Wasser organisiert, an jener Stelle übernatürliche Kräfte aufgebracht, um gegen die Strömung voranzukommen. Sind wir froh, dass es sich so beschwingt rudern lässt, ein paar Jungs im Kanu nehmen die Verfolgung auf (aussichtslos), fasst könnten wir ein Liedchen anstimmen. Dann kommt die kleine Stelle, an der sich Vater Rhein ankündigt, wir sind schon eine Weile parallel gefahren, nun müssen wir durch eine Engstelle, an der die Strömung dahinschießt – weiterrudern, gerade halten und die Luft an – schon rauschen wir hinunter und kommen an die Stelle, an der sich die Ill in den Rhein ergießt. Der breite Fluss liegt vor uns, aber vor den noch verbleibenden 50 Kilometern bis Karlsruhe bietet sich am Kieselstrand unter Bäumen die Mittagsrast an. Nach und nach kommen alle zusammen, wir laben uns am Vesper, die ein oder andere nimmt ein erfrischendes Bad im Rhein und alle sind frohgemut.
Dann geht es weiter, auf dem Handrücken prangt für meine Motivation notiert die Kilometerzahl des Karlsruher Rheinhafens: 360. Zunächst müssen wir 20 Kilometer ohne Strömung hinter uns bringen, ungefähr bis zur Schleuse Iffezheim (KM 334) rudert es sich gemach, wenige große Binnenschiffe sind unterwegs, das Sportbootaufkommen hält sich noch in Grenzen.
Vor der Schleuse warten wir aufeinander, hier passen wir nun wirklich alle auch mit viel Abstand hinein, ein riesiges Becken, das sich hinter uns schließt und uns fast unmerklich mit nach unten nimmt, am Ende sind es wohl fast 10 Meter Höhenunterschied. Wir verlassen die Schleuse und es geht weiter flussabwärts, nachdem die Plätze getauscht sind. Der Rhein führt wegen der Trockenheit Niedrigwasser, die Buhnen gilt es zu umfahren.
Es ist Sonntag und schönes Wetter, die Sportboote holen alles an Geschwindigkeit raus, die Jet Skis nehmen wild die Wellen, sehr oft müssen wir uns anpassen und es heißt: „Mit Rudern halt – Blatt ab“ und wir lassen uns über die Kämme schaukeln. Die Strömung schiebt uns kräftig mit, doch so langsam werden die Arme lang, die Beine schwer und das Sitzfleisch dünnhäutig. Aber wir nähern uns kontinuierlich dem Ziel, der Steuermann wechselt noch einmal und dann zeigt sich schon von weitem erkennbar das Dampfkraftwerk im Karlsruher Rheinhafen. Die Einfahrt in den Hafen gelingt routiniert und die letzten Kilometer auf vertrautem Terrain sind schon geschafft. Ach, man kommt auch gerne nach Hause.
Ein großer Dank gilt unserem Wanderführer Johannes, der die Tour minutiös vorbereitet hat, Sondergenehmigungen für uns eingeholt hat und alle mit den erforderlichen Karten und Tipps versehen hat, als Dolmetscher vor Ort weiterhalf und mit seiner besonnenen Art alle Fäden in der Hand hielt. Herzlichen Dank an alle, die im Vorfeld und am Wochenende mitorganisiert und eingekauft haben, Croissants besorgt, Pizza bestellt, Rechnungen ausgelegt und Boote und Gepäck transportiert haben. Ein besonderer Dank auch an den Ruderverein Aviron Strasbourg 1881, der uns so großzügig in seinem Haus aufgenommen hat, wir waren ein wenig beeindruckt. Meine persönliche Bilanz: Alle Mühen sind schnell vergessen, es bleiben die schönen Momente und ab Kilometer 50 empfiehlt sich ein Sitzkissen.
Julia Klose
Fotos: Johannes Schlundt
Fotos: Claudia Ciescholka
Fotos: Jenny
Fotos: Michael Hagelstein
Fotos: Johannes Eckstein