Elfsteden Roeimarathon 2023 – Erlebnisberichts eines Erstteilnehmers


6. Juli 2023 / Daniel

Als ich die Anfrage bekam, ob ich denn nicht bei Elfsteden mitmachen will, gingen mir erstmal einige Überlegungen durch den Kopf. Elfsteden? Das ist doch diese komische Regatta im holländischen Friesland über eine 210 km Strecke, wo um 20 Uhr abends gestartet wird und man im Team mit bis zu 12 Personen um die 22 Stunden auf kleinen Kanälen mit niedrigen und engen Brücken im C2x+ rudert und mit einer Karte irgendwelche Stempel sammelt? Klingt so verrückt, dass ich direkt zugesagt habe.

Montags vor der Regatta wurde nochmal für alle Frischlinge der genaue Ablauf der Wechsel und auch Ruderkommandos für enge und tiefe Brücken im Karlsruher Rheinhafen geübt. Hier wurde schon festgestellt, dass man auch bei glattem Wasser ohne Fremdeinwirkung fast kentern kann.

Donnerstags den 19.05.23 ging es dann mit 2 Mannschaften in verschiedenen Fahrzeugen Richtung Leeuwarden los. Vor Ort wurden die Zelte aufgebaut und die Boote (Team und Marianne) abgeladen. Am nächsten Morgen gab es erstmal zu wunderbarem sonnigem Wetter ein schönes Frühstück. Dabei wurde mit Erschrecken festgestellt, dass Kühlboxen scheinbar nicht nur eine Kühlfunktion haben, sondern auch wärmen können. Also gab es neben Schmelzkäse auch gekochte Salami.

Nach dem Frühstück ging es dann an die letzten Vorbereitungen. In eingeteilten Teams wurde Proviant für die Regatta gekocht, Boote aufgeriggert bzw. wetterfest für den Elfsteden-TÜV gemacht und mit den Steuerleuten nochmal die einzelnen der 24 Etappen durchgesprochen.

Danach ging es wieder ins Zelt, um nochmal 1-2 Stunden Schlaf zu bekommen, bevor es richtig losging.

Die erste Mannschaft ruderte das Boot ins Stadtzentrum von Leeuwarden. Einer schönen Stadt die einem wie Klein-Amsterdam vorkommt. Ab hier fängt auch schon das besondere dieser Regatta an. Ein Riesengetümmel von bis zu 100 Ruderbooten und an den Ufern überall Zuschauer und andere Mannschaften. Da wir in der Open Category antraten und somit als 9. Boot, kurz vor der anderen Mannschaft in der Marianne mit Startnummer 12, starteten, schlängelte sich unser Boot gekonnt in den vorderen Startbereich. Gestartet, unter dem Applaus und Anfeuerungen der Zuschauer setzte sich alle 15 Sekunden ein Boot in Bewegung. Eine wirklich einmalige Atmosphäre.

Ab da ging aber auch schon die Hektik los. Schnell zum Mannschaftsbus laufen, nochmal durchzählen, ob alle da sind und losfahren. Wir hatten das Glück, das Heiner, der Vater von Lena, sich bereit erklärt hatte, auf der kompletten Strecke den Bus zu fahren. Aufgrund des Fahrstils musste ich davon ausgehen, dass Heiner früher mal Rennfahrer war. Mit nahezu Höchstgeschwindigkeit ging es zur ersten Wechselstelle.

Jetzt machte sich langsam Nervosität breit. Vor Ort wurden die Aufgaben verteilt und im Kopf ging man nochmal die komplexe Choreografie des Wechsels durch. Nachdem die ersten Boote vorbei waren, war es endlich so weit. Nach einem perfekten Wechsel ging es erstmal darum im Boot den Adrenalinpegel runterzubekommen bzw. einen guten Rhythmus zu finden. Während die Sonne langsam unter ging, gab es immer mal wieder Zuschauer am Ufer, die einem zujubelten oder anfeuerten. Auch etwas, das der erfahrene Marathonruderer sonst nicht kennt.

Auch der nächste Wechsel lief bei uns perfekt. Kurz darauf kam auch schon Team Marianne, die uns auf den Fersen waren. Die nächste Etappe, war ein Rundkurs nach Dokkum und wieder zurück. Dadurch hatten wir erstmal nicht so viel Stress und konnten bei den Wechseln der folgenden Boote zusehen.

Sehr faszinierend ist dabei zu beobachten, dass es wilder als bei jedem Formel1 Boxenstopp zugeht. Die einzelnen Mannschaften versuchen, mit selbstgebastelten Leuchtkellen und Rufen die eigenen Boote an eine freie Stelle am Ufer einzuwinken. Danach folgt dann ein mehr oder weniger schneller und sicherer Mannschaftswechsel. Angst um das Bootsmaterial darf man scheinbar nicht haben. Nach der Rückkehr unseres Bootes und dem nächsten Wechsel wurde es langsam richtig dunkel und vor allem kalt.

Von Vorteil war es, dass wir einige Bewohner, die ihr Grundstück an der Strecke hatten, mit einem kleinen Präsent beglückten, sodass wir dort unsere Wechsel durchführen konnten.

Auch erwähnenswert war die technische Ausstattung mancher Boote. Von eingebauten Flutlichtscheinwerfern für die Nacht, über Tablets mit GPS-Karten war alles dabei. Wir hatten für unseren Bugsteuermann/-frau leider nur eine starke Taschenlampe.

Nach ein paar Etappen Pause ging es für mich auf meine Nachtetappe. Da wir immer noch Probleme mit unserem schwergängigen Steuerseil hatten durften wir die Strecke fast durchgehend mit überziehen rudern. Meine Gedanken kreisten um die Vorstellung das auch auf den restlichen Etappen zu müssen.

Manche Wechselstellen waren dabei in der Nacht im absoluten Nirgendwo. Wir hielten auf einem Feldweg, von wo wir nochmal 500m bis zum Kanal laufen und in der Kälte warten mussten. Irgendwann sah man dann den Schein einer Taschenlampe und lotste das Boot zur Wechselstelle.

Im Bus versuchte dann die Mannschaft oftmals etwas zu essen, zu trinken oder wenigstens ein paar Minuten Schlaf zu bekommen. Da wir aber “Rennfahrer“ Heiner hatten, war das nicht immer möglich. An einer Stelle merkte Andreas an, dass er doch etwas geschmeidiger um die Kurven fahren könne. Das wurde aber nur mit einem Grinsen und einer zackigen Lenkbewegung in den nächsten Kreisel beantwortet.

So ging es im gleichen Rhythmus von Wechselstelle zu Wechselstelle. Immer ca. 20 Minuten Fahrtzeit im Bus und dann nochmal ca. 20 Minuten warten, bis das Boot ankam.

Die Nacht wurde langsam zum Tag und Wechsel reihte sich an Wechsel und der Köper wusste nicht mehr, ob er müde oder wach sein sollte. Das Zeitgefühl ging komplett verloren. Ist es 8 Uhr? Ist es 12 Uhr oder 16 Uhr? Wo sind wir gerade? Die wievielte Etappe haben wir gerade? Keine Ahnung!

Durch unsere perfekten Wechsel konnten wir unsere Position im vorderen Bereich halten. Dies ist vor allem dann wichtig, als es auf die Etappen geht, wo der Kanal so schmal wird, dass man teilweise nur einseitig rudern kann.

Die Marianne-Mannschaft hatte da weniger Glück. Sie wurden im „Brombeer-Kanal“ zwischen den beiden Binnenmeeren komplett von einem Boot mit geringer Steuererfahrung ausgebremst und haben allein in diesem Abschnitt locker eine halbe Stunde verloren. So fielen sie immer weiter hinter uns zurück.

Irgendwann kam dann nochmal Panik auf:
Da man in Aurum nicht wechseln durfte und die Ersatzwechselstelle sich als nicht nutzbar herausstellte, standen wir unter Zeitdruck Ersatz zu finden, da jeden Moment unser Boot ankommen könnte. Glücklicherweise gab es ganz in der Nähe eine Brücke, unter der ein schwimmender Reparatursteg lag. So konnten wir ohne größere Probleme den Wechsel durchführen.

Gegen Mittag war dann der Verstand komplett durch. Man war nur noch in der Lage zu rudern/steuern, essen und kurz zu schlafen. Zum Glück kam die Sonne raus und es wurde ein schöner warmer Sommertag. Auf den letzten Etappen kam dagegen nochmal ein heftiger Gegenwind auf, der die letzten Kraftreserven abverlangte.

Im Zielbereich stellten wir fest, dass jedem Boot bei der Zieldurchfahrt ein Wunschlied gespielt wurde. Da wir scheinbar vergessen hatten eins zu melden, waren wir gespannt, was es denn für ein Überraschungslied bei uns sein würde. Es war Nena mit “99 Luftballons“, das wir jubelnd mitsangen und unser Boot auf den letzten Metern anfeuerten.
Bei der Marianne Mannschaft wurde sehr passend Helene Fischer mit “Atemlos durch die Nacht“ gespielt.

An Land waren wir glücklich und zufrieden über das Erreichte. Nach 21:58 Stunden und ohne uns zu verfahren hatten wir Platz 17 von 93. Marianne landete mit genau 40 Minuten Rückstand auf uns auf Platz 33.

Nach dem Abendessen und dem Erzählen der Erlebnisse vom Rennen war jeder froh endlich schlafen gehen zu können, um sich am nächsten Tag auf die Heimreise zu begeben.

Abschließend geht ein großer Dank an alle, die an der perfekten Planung und Organisation mitgeholfen haben. Ohne die würde es nicht funktionieren.
Außerdem noch ein Dank an Heiner, der den Bus immer “zügig“ aber sicher auf den einzelnen Etappen gefahren hat. Ich hätte mir nicht vorstellen können nach 18 Stunden noch Bus zufahren.

Nachtrag aus dem Team Marianne:
Während Team „Team“ von 4 Ruderinnen und Ruderern aus Mannheim verstärkt wurde, durften wir uns über vier Ruderer aus der KRA-Jugend freuen. Das war eine echte Bereicherung für das Team. Alle waren sehr beeindruckt von der blitzsauberen Technik. Und bei den gemischten Besatzungen hatte auch manch alter Hase so seine liebe Not, das schnelle Aufdrehen mithalten zu können.
Das ganze Herangehen an eine Etappe sah einfach anders aus. Die jeweils knapp 10 km langen Etappen wurden angegangen, als ob es sich um eine normalen Kurzstreckenregatta handelt. So fragte man sich manchmal, ob nicht jemand ein Sauerstoffzelt dabei hat. Und von blutigen Händen wollen wir ja gar nicht erst reden.

Bericht: Philipp Wannow vom Mannheimer RC
Ergänzungen und Nachtrag vom Team Marianne: Daniel Landmann

und wer das ganze nochmal im GPS-Track nachverfolgen will, kann dies hier tun:
https://tourmonitor.eu/elfstedenroeimarathon/esrm2023/
Nr 9: Team Team
Nr12: Team Marianne

und wer auch die Begleitfahrzeuge an Land sehen möchte kann hier schauen:
https://racemap.com/player/krawall-in-elfsteden_2023-05-01/

Bilder: Johannes Eckstein

 

Bilder: Daniel Landmann

 

Bilder: Patrick Störner

Bilder: Roland Jörger

 

Bilder: Philipp Wannow

 

Bilder: Heiner Bergner