Ruhig treibt die Weser an der großen Wiese vor dem Beverunger Bootshaus vorbei. Es ist kurz vor acht Uhr abends. Nach der Aufregung eines vom Wind getriebenen Regenschauers am Nachmittag ist wieder Stille eingekehrt. Die Dämmerung bereitet darauf vor, den Tag sanft zu vollenden. Doch da – ein Geräusch!
Klock, Platsch, Klock,… Klock, Platsch, Klock,… Klock, Platsch, Klock,… Um die Kurve herum, von Würgassen her, taucht ein Ruderboot auf. Drei wackere Ruderer treiben es mit kräftigen Schlägen voran. Woher nur diese Eile in dieser, des langen Tages müden, ruhigen Umgebung? Tja, wir Teilnehmer wissen es. Der Hunger treibt uns an. Noch wissen wir nicht, wann die Küche im Beverunger Bootshaus schließt, aber wir vermuten, dass es bald sein wird.
Der Tag war lang – Anreise aus Karlsruhe nach Hann. Münden, Vorausbringen des ersten Autos, Aufriggern des Bootes – und dann schlussendlich 50 km rudern. Und kurz hinter dem (ehemaligen) AKW Würgassen entkommen wir dann doch knapp dem GAU des Tages. Beim Auspacken unserer Sachen müssen wir schon bestellen, aber die Küche ist noch warm und Wolfgang erhält seine doppelte Portion Bratkartoffeln mit insgesamt vier Spiegeleiern. Doch Halt! Im Programm stand Anfänger-Wanderfahrt und nicht Bolzen, Bolzen und weiter Bolzen fürs Abendessen. Macht nichts. Den stressigen ersten Tag haben wir überstanden.
Den nächsten Tag kann unsere überschaubare Mannschaft, die aus vier JEs (Jungen Erwachsenen) aus drei Generationen besteht, dafür um so mehr genießen. Wir sind im Urlaub angekommen und haben Zeit ihn in Ruhe anzugehen. Die 30km Rudern bis Holzminden und die dazugehörige Autologistik sind bequem zu schaffen. Auch das Wetter verschont uns an diesem und den nächsten Tagen vom Regen. Bloß richtig warm will es die ganze Woche nicht werden. Plötzlich, unterwegs zwischen Höxter und dem Kloster Corvey beginnen nur Meter von uns weg Kampfhandlungen. Es ist aber nicht die an der Weser allgegenwärtige Bundeswehr oder NATO, die eine Übung abhält. Dieser Kampf ist ernst. Es geht darum wer heute Abend hungrig nach Hause fliegen muss. Fliegen? Genau, ein Greifvogel hat sich einen kapitalen Aal aus der Weser geschnappt und muss diesen noch in der Luft gegen attackierende Krähen verteidigen. Entnervt gibt schließlich der Greifvogel den schweren Aal auf. Der fällt tot ins Wasser und alle fliegen hungrig nach Hause. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte. Wir wünschen den Fischen einen guten Appetit!
Am nächsten Tag ist unser Tagesziel die Münchhausenstadt Bodenwerder. Das sind wieder 30 entspannte Kilometer. Bevor wir ankommen, treiben wir an steilen Felswänden vorbei und lauschen den Geschichten über eine Ruderrallye und der von vertriebenen und wieder angelockten Greifvögeln. Vögel sind überhaupt ein Thema unserer Reise. Neben dem gestrigen Luftkampf bewundern wir die Zahl der Milane, die ihre Kreise über der Weser drehen, und rätseln über die Namen von uns unbekannten Vögeln mit gelben und roten Bäuchen. In Bodenwerder angekommen brechen wir gemeinsam auf und erkunden ein idyllisches Seitental mit dem Auto, um den Hänger samt anderem Auto aus Holzminden nachzuholen. Dann trennen wir uns wieder. Die Fahrer bringen ein Auto nach Rinteln voraus, während Henning und Wolfgang den Bismarckturm erklimmen. Dank der guten Aussicht über den mittelalterlichen Stadtkern und die Täler des Weserberglands sehen wir den Regenschauer rechtzeitig kommen und schaffen es trocken zurück ins Bootshaus. Zu Fuß, denn leider gab es keine vorbei fliegenden Kanonenkugeln zum aufspringen.
Bodenwerder, das heißt für uns Ruderer schlemmen. Abends beim Griechen und morgens beim großartigen Frühstück unserer Gastgeberin Alex. Aber auch das ist nun vorbei. Die Lunchtüten sind mit den Resten des fürstlichen Frühstücks gefüllt. Die längste Etappe unserer Reise steht an. In 60 Kilometern werden wir am Doktorsee bei Rinteln in einem riesigen deutschen Camperparadies anlanden. Dazu müssen wir in Hameln durch die Schleuse, doch vorher gönnen wir uns noch eine Pause am Ruderverein Weser vor der Stadt.
Wie letztes Jahr sind wir nicht alleine. Eine alte Bekannte kommt angeflogen und mustert unser unbewachtes Reisegepäck im Boot. Doch dieses Jahr hat sie Pech. Die Müsliriegel liegen diesmal nicht obenauf, sondern unten in der Packtasche. Die Krähe hat keine Chance uns durch ihr unbeteiligtes Getue unaufmerksam werden zu lassen, um sich dann in einem unbeobachteten Moment einen zu schnappen. Wir behalten unseren Proviant.
Am letzten Tag zeigt sich das Wetter noch einmal ungestüm. Auf dem Weg von Rinteln nach Minden kommt der Wind mal von vorne, von hinten und dann wieder von der Seite. An der Gerade hinter dem Veltheimer Kraftwerk ist dann Schluss mit seinen Spielchen. Er hat sich entschieden und kommt mit aller Wucht genau von vorne. Wir müssen richtig ackern. Nach der Werremündung kommt er dann endlich wieder von hinten und wir lassen uns treiben. Dabei zieht vor uns ein Regenschauer durch und wir bleiben trocken. Pausen lohnen sich! Leider werden wir das aber nicht mehr lange denken.
Durch die Porta Westfalica an Kaiser Wilhelm vorbei, der uns leider nicht zuwinkt, rudern wir in die Norddeutsche Tiefebene. Es sind nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel, doch der Wind bleibt frisch und es fängt an zu regnen. Unnötig so kurz vorm Ziel, ist die einhellige Meinung im Boot. Wir können nichts dran ändern und wd besteht auch im peitschenden Regen auf einer sauberen Rudertechnik. Pitschnass passieren wir die Buhne vorm Bessel-Ruder-Club und rudern die letzten hundert Meter Kanal zum Steg. Wir sind am Ziel, der Regen lässt bald nach und die Sonne kommt raus. Beim Abriggern ist das Wetter wieder ganz angenehm. Nach fünf Tagen und gut 200 km machen wir uns wieder auf den Heimweg. Dank wd’s berechtigter Ermahnungen kippte und hängte das Boot während der Fahrt immer weniger. Auch dem Einsetzen hat die Tour nicht geschadet. So nehmen wir alle etwas mit von dieser temperaturmäßig kühlen, aber erfolgreichen Wanderfahrt.
Wd, danke für deine gewohnt reibungslose Organisation!
Wolfgang Gosda