Ergorudern ist langweilig!
Was ist langweiliger als Ergofahrern? – Beim Kettenziehen zugucken!
Und dann auch noch über die halbe Stunde – da geht ja nix!
Diese häufig gehörten Bekundungen möchte ich zum Anlass nehmen, über unseren Auftritt bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft im 30-Minuten-Ergometerrudern, wie die alljährlich in Starnberg stattfindende Veranstaltung offiziell heißt, einmal aus der ganz subjektiven Sicht des Trainers zu berichten.
Das Motivieren und Vorbereiten der Teilnehmer liegt ebenso wie das Melden (leider nicht über das Portal möglich), das Vorabüberweisen des Startgeldes und das Buchen eines Stadtmobils schon Wochen zurück, was nicht bedeuten soll, dass es keine kurzfristigen Änderungen gibt. Am Wettkampftag hole ich also noch im Dunkeln den Bus ab und erwarte meine Schützlinge am Treffpunkt: alle pünktlich! Dreieinhalb Stunden Autobahn später ergattern wir einen der seltenen gebührenfreien Parkplätze zwischen zwei Schneebergen in akzeptabler Entfernung zur Schlossberghalle.
Wie bei Leichtgewichten üblich, gilt Claudias und Dirks erste Amtshandlung dem Probewiegen: alles im grünen Bereich. Wenige Minuten später darf Claudia dann auch offiziell verwogen werden und wir dürfen nun bis zu ihrem Start knapp zwei Stunden den Läufen der Kinder und Jugendlichen beiwohnen. Da werden höchst unterschiedliche Leistungen abgeliefert – bis hin zum Weltrekord der Noch-14-jährigen Nora Radke von der Stuttgarter RG. Man hört das Surren der Ergos, die Kommandos der Trainer, irgendwie ein bißchen musikalische Untermalung und den Versuch von Rennbericht. Ich gebe es zu, ich bin von Reportagen a la Hein und Orlowski verwöhnt. Zwischendrin eine Siegerehrung: Sechzehnmal wird eine Plazierung genannt, ein Name, gefolgt von einer Meterzahl und einem emotionslos dahingehauchten „Wow!“.
Ok – ich bin ja nicht zum Vergnügen hier, sondern nutze die Zeit zur Kontaktpflege (Schöne Grüße von Christa an ihre Alemannia) und zum Informationsaustausch in Sachen Gesundheitsrudern (leider nicht viel Neues).
Claudia startet in der Klasse der Leichtgewichtsfrauen 40-49. Sie ist gut vorbereitet, hat im Rahmen der women’s challenge eine beruhigend gute Testfahrt hingelegt und überhaupt: sie ist die Titelverteidigerin. Ich hatte im Hinterkopf noch, dass der Starnberg-Rekord „nur“ noch 150 Meter weiter steht und das seit vielen Jahren. Wenn nicht Claudia, wer dann? Sie hat souverän ihr Ding abgespult, war nie gefährdet, konnte ihr Vorjahresergebnis deutlich verbessern, aber der Rekord wurde es nicht. Nach der Silbermedaille über die Normaldistanz nun wieder der Nationale Meistertitel über die 30 Minuten.
Bis zur Siegerehrung blieb noch ein wenig Zeit, mit unseren anderen Startern ihre Rennen zu besprechen: Ausgerechnet die beiden Neulinge Dirk und Harald sollten im selben Lauf starten. Es ist schon geschickt, dass man mehrere Rennen parallel gleichzeitig startet, um möglichst viele Maschinen auszulasten und Läufe zu sparen. Hochgradig ungeschickt dabei ist, dass die kleinen Leinwandschiffchen nicht wie bei anderen Veranstaltungen üblich rennspezifisch eingefärbt sind. In Starnberg ist alles gelb und wird im Rennverlauf ständig umsortiert. Auch hier ist organisatorisch noch Luft nach oben!
Dirk, Leichtgewicht 50-54, war verwogen und wurde mit klarem Ziel 2:02/500m von Claudia gecoacht, Harald, gleiche Altersklasse im Normalgewicht, ohne Zielvorgabe, aber sehr empfänglich für technische Korrekturen, von mir. Beide haben großartig gekämpft und können sich gut vorstellen, im nächsten Jahr mehr zu üben und dann so richtig zuzuschlagen. Solche Äußerungen freuen einen Trainer besonders. Direkt auf dem Gerät neben Dirk wurde der zweite Weltrekord des Tages gerudert: 8648m als leichter Fünfzigjähriger!
Im unmittelbar folgenden Rennen wollte Joachim seine Vorjahresleistung verbessern. Er hatte den ganzen Winter hindurch allwöchentlich trainiert, hatte einen guten Rhythmus gefunden, die optimale Windradeinstellung und auch seine Renneinteilung gut durchdacht. Um es kurz zu machen: er hat nichts falsch gemacht, aber ein kleiner Infekt sorgte dafür, dass es bis auf einen Meter dasselbe Ergebnis wurde wie 2018. Schade, aber nicht zu ändern. Jedenfalls nicht in diesem Jahr.
Und wieder nur einen Lauf später war die Reihe an Gudrun. Durch Aufrücken in die Altersklasse 55-59 kam eine Gegnerin vom Belvoir Ruderclub Zürich hinzu, der durchaus zuzutrauen war, Gudrun zu gefährden, zumal die am dritten Rennwochenende in Folge mir nicht so ganz frisch schien. Es wurde ein Rennen absolut nach meinem Geschmack: wir konnten es taktisch gestalten! Die etwas jüngere Schweizerin zog einen noch fulminanteren Start als Gudrun und man sah sie nach der Nachstartphase 5 Meter in Führung liegen. Ich konnte Gudrun davon überzeugen, eine knappe Viertelstunde lang möglichst kräftesparend genau diesen Rückstand zu halten. Dann sollte ein überzeugender Druckspurt kommen. Gudrun konnte das exakt umsetzen und hatte quasi innerhalb einer Minute eine 35-Meter-Führung erarbeitet. Die Halle tobte, obwohl viele bereits auf dem Heimweg waren. Bis ins Ziel ging es dann mit eiserner Disziplin.
Abschließend die Ehrung der Rekordhalterin, alten und neuen Deutschen Meisterin, dann Rückweg und –fahrt. So gegen 22:00 hatte ich dann für das Stadtmobil einen Parkplatz gefunden.
Nein, langweilig ist das wirklich nicht!
Fotos von Dirk Hupe, Joachim Lutz, Gudrun Klein: